Nikita Khartchenkov – ein deutsch-russischer Grenzgänger

Seit dieser Saison verstärkt Nikita Khartchenkov das Team der Wölfe. Der 201cm große Flügelspieler glänzt vor allem durch seine hohe Trefferquote fernab der Drei-Punkte-Linie. Echten Basketball-Kennern ist der Name Khartchenkov ohnehin ein Begriff: 1974 wurde Alexander Khartchenkov, Nikitas Vater, mit der Nationalmannschaft der damaligen UdSSR Basketballweltmeister. MBC-Praktikantin Anja Hädrich besuchte den MBC-Scharfschützen und seine kleine Familie.

Jener Alexander Khartchenkov wurde 1992 Trainer in München und so kam der damals fünfjährige Nikita erstmals mit seinen Eltern aus der Millionenmetropole Sankt Petersburg nach Deutschland. Von da an packte auch ihn das Basketball-Fieber und er reiste bei jedem Spiel des Vaters mit. Nach zwei Jahren in Bayern folgte anschließend Quakenbrück. Dort machte der damals Siebenjährige seine ersten Schritte als Basketballer auf dem Weg zum Profi. Nikita spielte fortan unter der Leitung seines Vaters in der U12. Anschließende kehrte die Familie wieder nach Russland zurück, Vater Alexander war Trainer beim Hauptstadtclub BK Khimki. Nikita sind vor allem die anfänglichen Umstellungsschwierigkeiten in der Schule in Erinnerung geblieben: „Am Anfang war es nicht ganz einfach, plötzlich nur noch nach dem kyrillischen Alphabet zu schreiben“, blickt er zurück. Neben der Schulausbildung stand natürlich der Basketball im Mittelpunkt. Nikita trainierte jeden Abend zwei Stunden und war oftmals erst 21 Uhr zu Hause. Zeit für andere Dinge hatte er kaum. Doch er wollte Basketballprofi werden, deswegen nahm er auch so etwas in Kauf.
Nach sechs Jahren in Russland, währenddessen er auch Anatoly Kashirov kennenlernte, brach Nikita erneut alle Zelte ab und kehrte wieder nach Deutschland zurück. Ein Jahr spielte er in Freiburg, bekam danach als 15-Jähriger 2002 einen Vertrag bei den Frankfurt Skyliners und ging für deren Kooperationspartner TV Langen in der zweiten Liga auf Korbjagd. Der talentierte Deutsch-Russe wohnte fortan bei einer Gastfamilie, seine Eltern blieben in der Heimat. In dieser Zeit erhielt er auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Abermals kehrte der Grenzgänger jedoch wieder nach Osteuropa zurück und spielte in der Reserve des BK Khimki Moskau. Damaliger Trainer der zweiten Mannschaft des Hauptstadtclubs war sein Vater, welcher stets höhere Maßstäbe an ihn setzte und vom eigenen Sohn oft mehr als von den anderen Spielern verlangte.
Erfolgreich war die Zeit in Moskau allemal, doch 2006 zog es Nikita wiederum nach Deutschland, zu den New Yorker Phantoms Braunschweig. Während dieser Zeit lief er auch für die SG Braunschweig als Doppellizenzspieler in der Pro B auf und gehörte dem Kader der deutschen U20- sowie der A2-Nationalmannschaft an. In der Saison 2008/2009 trug Nikita das Trikot der Chemnitz 99ers, ehe er schließlich zu dieser Saison an die Saale wechselte und gemeinsam mit Ehefrau Maria, der zehn Monate alten Tochter Diana und Hündchen Jessy in Weißenfels wohnt.
Auf die Frage, ob seine Trikotnummer 13 irgendeine Bedeutung hat, gibt er folgende Antwort: „Mit derselben Nummer lief mein Vater auch oft auf, bis vor zwei Jahren sogar noch in der Regionalliga.“ Sportlich sowie menschlich sei der Vater ohnehin ein Vorbild. Von ihm holt er sich nicht nur viele Tipps, sondern muss sich das ein oder andere Mal auch den kritischen Worten des Vaters stellen. Am Basketball begeistern Nikita nicht nur die Dynamik, Schnelligkeit und Vielseitigkeit, sondern dass man Spielintelligenz benötigt und schnell Entscheidungen treffen müsse. „In Deutschland ist das Spiel sowieso viel schneller als in Russland. Dort gibt es nur 9 Mannschaften in der ersten Liga und diese werden oft von Millionären finanziert. Deswegen spielen da mehr ältere und viel erfahrenere Spieler. Aber in Deutschland spielen viele junge dynamische Amerikaner, die direkt vom College kommen und sich beweisen wollen“, erzählt er und zwinkert, „aber diese sind oft unerfahrener.“
Diese Saison möchte er mit der Mannschaft so gut wie möglich abschneiden und hofft gleichzeitig, in die A- bzw. A2-Nationalmannschaft berufen zu werden. „Da sammelt man eine Menge Erfahrungen“, begründet er. Seinen Wechsel nach Weißenfels begründet der 23-Jährige mit der Perspektive, hier in der Eliteliga des deutschen Basketballs unter sehr professionellen Bedingungen und einem tollen Umfeld spielen zu können. „Schade nur, dass hier nicht so viel los ist und es wenige Alternativen und Freizeitmöglichkeiten gibt“, spricht er über Weißenfels. Am Team schätzt er vor allem den Respekt untereinander, jeder sei ein Teamplayer, man verstehe sich und jeder hat eine eigene Persönlichkeit.
Seine Frau Maria, gebürtige Moskauerin, ist bei jedem Spiel im Wolfsbau dabei. Wenn neben dem Trainings- und Spielalltag noch Zeit bleibt, schaut sich Nikita gerne Snooker, Eishockey- oder Fußballspiele im Fernsehen an oder unternimmt etwas mit seiner kleinen Familie. „Dann fahren wir nach Leipzig shoppen“, gibt seine Frau Maria unmissverständlich zu und lächelt. Sind mal ein paar Tage am Stück frei, besuchen die Khartchenkovs den Vater, der inzwischen beim DJK Landsberg als Trainer der Regionalligamannschaft tätig ist. Stolz berichtet Nikita über ihn: „Bis vor zwei Jahren hat er sogar noch in der Regionalliga gespielt, mit 51 Jahren.“
Das bevorstehende Osterfest feiern die Khartchenkovs „ganz gewöhnlich“. Es gibt russische Spezialitäten, so zum Beispiel Kulitsch, den traditionellen Osterkuchen mit Rosinen. Danach geht man in die Kirche, Nikita und Maria sind orthodox, aber nicht streng gläubig. Beide sind sehr heimatverbunden, verbringen oft einige Wochen der Sommerpause in Russland. Dann gibt es Bliny, eine Art Eierkuchen, und Borschtsch, Rote-Bete-Suppe.
Bei den Winterspielen drückt Nikita keinem Athleten der russischen oder deutschen Mannschaft besonders die Daumen. Ehefrau Maria dagegen, die sich in der Heimat mit rhythmischer Sportgymnastik beschäftigte und auch heute noch sportbegeistert ist, mag den russischen Eiskunstläufer Jewgeni Pluschenko. Im Hinblick auf das Saisonhighlight am Wochenende sagt Nikita: „ALBA Berlin ist nicht irgendein Gegner, das wissen wir. Es wird kein einfaches Spiel werden, aber wir wollen zeigen, dass wir mitspielen und mithalten können.“

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