Interview: Abschied nach drei Jahren

Zeit des Abschieds am Samstag in der Stadthalle Weißenfels. Nach drei Jahren erfolgreicher Arbeit endet für Ari Tammivaara (Foto) nicht nur die Saison, sondern seine Tätigkeit als Trainer beim Mitteldeutschen Basketball Club. Der 40-jährige Finne betreute vor seinem Engagement bei den Wölfen zuletzt die finnische A-Nationalmannschaft und schnupperte mit dem USC Freiburg auch schon Bundesligaluft. 2004 heuerte er beim zwangsabgestiegenen Mitteldeutschen Basketball Club an und führte diesen in seinem ersten Jahr zum Landespokalsieg und stieg mit ihm in die 2. Bundesliga auf. Dort konnte er in der Saison 2005/2006 und in diesem Jahr jeweils die Vizemeisterschaft feiern. Vor seinem letzten Heimspiel als Wölfecoach hat sich BVSA-Pressewart Thomas Schaarschmidt mit ihm unterhalten.

Nach 3 erfolgreichen Jahren nun der Abschied vom MBC. Was waren/sind die Gründe für die Trennung?
Tammivaara: Meine Entscheidung hatte absolut nichts mit Basketball zu tun. Basketballerisch habe ich beim MBC die beste Zeit in meiner Trainerkarriere erleben dürfen. Alles beim MBC war sehr professionell, ich würde sagen Erstligalevel. Die Gründe liegen ausschließlich familiär bedingt. Ich habe Zwillinge, Villi und Tessa, und ich habe zusammen mit meiner Frau entschieden, dass es für die Beiden jetzt Zeit ist in Finnland auf die Schule zu gehen. Der Grund liegt nicht im Schulsystem, wir waren hier sehr zufrieden, sonder vorrangig wegen der Sprache. Die beiden müssen ihre Kenntnisse in der finnischen Sprache weiter verbessern.

Wie empfanden Sie die Zeit beim MBC und in Deutschland? Welche hoffentlich positiven Erinnerungen nehmen Sie mit nach Finnland?
Tammivaara: Ich möchte vorweg sagen, dass ich schon einmal in einem ähnlichen Basketballprogramm in Finnland gearbeitet habe, bei Nahmika Lahti. Zum Beispiel beim USC Freiburg herrschte nicht diese „Denkweise“ vor wie beim MBC. Und ich denke das ist das größte Problem im Sport überhaupt, dass viele Vereine zu kurzfristig orientiert arbeiten. Der größte Grund warum ich es hier besonders gemocht habe ist, dass der MBC ein langfristiges Ziel verfolgt und die Dinge langsam und nicht überhastet aufbauen will. Immer wenn ein Sportclub zu schnell den Erfolg sucht, endet dies in ökonomischen Problemen, wie wir es ja selbst beim MBC in der Vergangenheit erleben mussten. Diese Arbeitsweise erzeugt also nicht die Ergebnisse die wir haben wollen. Das ist meiner Meinung nach die große Chance vom MBC, denn es gibt viele Clubs die die Möglichkeit hätten ein ähnlich großes Programm wie der MBC aufzubauen, nur sie tun es nicht. Ich hoffe, der MBC wird auch künftig in dieser Art und Weise arbeiten. Unvergleichlich ist aber auch für mich nach meiner langen Trainerkarriere die Unterstützung der Fans, es ist ein sehr erhebendes Gefühl in der eigenen Halle zu spielen. Die Unterstützung ist so laut und meistens auch sehr positiv, dass jeder Spieltag zu einem Feiertag wird.

Sportlich lief es für Sie und den MBC in den letzten 3 Jahren durchaus positiv. Hätte ein Aufstieg in die 1.Bundesliga Sie zum Verbleib beim MBC bewegen können?
Tammivaara: Ja, im Falle des Aufstiegs hätte ich natürlich Lust gehabt, noch einmal mit dem MBC in der 1. Liga zu spielen. Ich war früher mit dem USC Freiburg in der 1. Bundesliga, doch seitdem hat sich das Bild sehr geändert. Heute ist die BBL viel professioneller als Ende der Neunziger, was natürlich sehr gut für den deutschen Basketball ist. Das hätte ich sehr gern noch einmal erleben wollen, wobei auch dann eine Zusammenarbeit nur kurz hätte sein können, eben aus den bereits genannten familiären Gründen.

Was waren die Gründe für das Nichterreichen des Zieles Aufstieg in dieser Saison?
Tammivaara: Ich denke, jede Organisation braucht eine gewisse Zeit um das Programm aufzubauen und ich glaube in diesem Jahr haben wir nicht so gespielt, wie die Erwartungen der Öffentlichkeit waren. Im letzten Jahr zum Beispiel hatten wir ein viel limitierteres Team und ich würde sagen, wir haben besser gespielt als in diesem Jahr. Dabei muss man aber auch beachten, dass die Liga in dieser Saison sehr viel stärker besetzt ist als noch im Jahr zuvor. Es hätte wohl auch niemand erwartet, dass nachdem im letzten Jahr Paderborn so durch die Liga marschiert ist, jetzt auch Göttingen im Folgejahr alles dominieren konnte. Wir hatten mit einigen großen Verletzungsproblemen zu kämpfen, was uns sehr stark zurückgeworfen hat. Durch die Nachverpflichtungen die wir aufgrund der Verletzungen tätigen mussten, wurde die Teamchemie auch empfindlich gestört, außerdem änderte sich die Art unseres Spiels dadurch auch sehr. Wir müssen ganz ehrlich sagen, dass wir nicht gut genug für den Aufstieg waren.

In welcher Funktion bleiben Sie dem MBC erhalten? Können Sie sich vorstellen zum MBC als Trainer zurückzukehren?
Tammivaara: Ja natürlich, ich möchte auch in Zukunft mit dem MBC in Kontakt bleiben und meine Erfahrung zur Verfügung stellen. So wie bereits jetzt, wo ich dem Management bei der Teamzusammenstellung helfen werde, in dieser Funktion würde ich den Wölfen gern verbunden bleiben. Auch wenn ich künftig nicht mehr so intensiv involviert sein sollte, ist der MBC auf jeden Fall ein Programm, was ich auch künftig sehr intensiv verfolgen möchte. Am Ende ist es aber die Entscheidung des Managements, ob man mich mehr oder weniger in die Arbeit integrieren möchte, ich bin aber sehr offen dafür. Eine Rückkehr ist nie ausgeschlossen, alles ist möglich. Wie ich bereits gesagt habe, baut die Organisation ihr Programm mit langfristigen Zielen auf und ich bin überzeugt, dass der MBC eines Tages eine so starke finanzielle Basis hat und in die erste Bundesliga aufsteigen wird. Die Organisation ist jetzt schon gut genug dafür aufgestellt.

Wie beurteilen Sie die mittelfristige/langfristige Perspektive des Vereins? Ist der Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse zu realisieren? Was ist dafür noch notwendig?
Tammivaara: Ich glaube schon, dass der Aufstieg mittelfristig möglich ist. Aber ich denke, das kann nicht das Hauptziel sein. Meiner Meinung nach, muss der MBC weiter versuchen den jungen Spielern zu helfen, sie bei ihrer Karriere zu unterstützen. Das heißt, der MBC braucht auch künftig einen guten Trainerstab, wir müssen eine interessante Adresse für die Talente sein, sodass es das Ziel der Nachwuchsspieler sein muss, künftig beim MBC zu spielen. Und gerade bei diesem Punkt musste ich bedauern, dass viele Vereine immer noch die Vorstellung haben, dass die Spieler Eigentum der Vereine sind und das ist definitiv nicht der Fall. Ich würde den MBC gern künftig in der Rolle sehen, talentierte Nachwuchsspieler zu entwickeln und somit auch dem deutschen Basketball zu helfen. Das soll heißen, die Spieler sollen zu uns kommen und hier das richtige Level für sich finden. Sollte unser Programm irgendwann selbst Spieler soweit entwickelt haben, dass unser Level nicht mehr ausreicht, dann kann der MBC stolz darauf sein. Künftig brauchen wir aber noch mehr junge Spieler wie Ralph Schirmer und Frieder Diestelhorst, die mit dem Bundesligateam trainieren und auch zu Einsätzen im Profiteam kommen und gleichzeitig mit viel Spielzeit in der zweiten Mannschaft versorgt werden. Wenn wir weiter an dieses Konzept glauben und auch unsere Partner in der Region, dann können wir künftig ein perfektes Programm für jeden Nachwuchsspieler anbieten, mit Spielzeit auf jedem möglichen Leistungslevel.

Sie haben einen großen Anteil am Nachwuchskonzept des MBC. Wie beurteilen Sie die Nachwuchsarbeit im deutschen Basketball? Was muss sich in Deutschland gerade in diesem Bereich ändern, damit der deutsche Basketball auch nach Dirk Nowitzki international konkurrenzfähig bleibt?
Tammivaara: Ich sehe die Situation recht ähnlich wie in Finnland. Ich glaube aber, dass das Bild in allen westeuropäischen Ländern ähnlich ist. Es gibt inzwischen so viele Dinge, mit denen Basketball konkurrieren muss, nicht nur im Sport, sondern auch Computer, Kino und alle anderen Dinge die es gibt. Es ist auch festzustellen, dass die alltägliche Bewegung immer weniger wird. Wir stehen vor einer großen Herausforderung. Ich hoffe sehr, dass der Basketball ein gutes Angebot für die Kinder und Jugendlichen darstellt, sich körperlich aktiver zu zeigen und damit eine höhere Lebensqualität zu erreichen. Aber Basketball bietet natürlich auch die Chance, die eigenen Träume zu erfüllen. Hier sehe ich auch die neue 2. Basketball Bundesliga Pro A als eine sehr gute Sache für den deutschen Basketball. Man muss in jedem Spiel sechs deutsche Spieler haben, außerdem Spielt die Liga bundesweit wodurch der sportliche Wettbewerb steigen wird. Ich glaube auch, dass die neue Saison für den MBC sehr interessant werden wird, eben weil es die neuen Teams aus dem Süden geben wird – das bedeutet viele neue Dinge für die Spieler und Fans. Das Hauptziel sollte aber sein, dass vor allem die jungen Spieler die Chance bekommen, ihr Talent zu zeigen. Wir brauchen aber auch noch mehr Organisationen wie den MBC, die ganzheitlich denken und das Profiteam nicht ganz abgegrenzt von allen anderen Belangen sehen. Die Nachwuchsprogramme müssen eng mit den Profiteams verbunden sein, um künftig Erfolg zu haben.

Was denken Sie speziell über die Situation in Mitteldeutschland?
Tammivaara: Was ich bisher gesehen habe zeigt mir, dass die Qualität der Spieler besser sein könnte. Aber um das zu erreichen, brauchen wir zu allererst hoch qualifizierte Coaches die mit den Kindern arbeiten. Wir können nicht erwarten, dass die jungen Spieler allein durch ihr Talent zu Spitzenspielern werden. Wenn man Talent hat, muss man trotzdem hart arbeiten und dafür braucht man die Trainer. Aus diesem Grund brauchen wir viele mitteldeutsche Clubs die dafür arbeiten, denn sie nehmen den entscheidenden Teil in unserem Nachwuchsprogramm ein. Oftmals wenn ich vom MBC spreche, dann denken viele Leute in der Region, alles soll nur für den MBC laufen. Aber das ist nicht so, wie ich schon früher gesagt habe, sollte es einen Spieler geben der besser ist als das MBC-Level, dann bin ich der erste der diesem Spieler gratuliert und ihn bei seinem weiteren Weg unterstützt. Auch kleinere Vereine sollten ähnlich denken, wenn sie einen so talentierten Spieler haben, dass er sich auf ihrem Niveau nicht mehr weiterentwickeln kann, dann muss man im Interesse des Spielers, ihm Möglichkeiten aufzeigen, wo er sich am besten entwickeln kann. Im Moment denke ich, dass der MBC in dieser Region der einzige Club ist, wo Spieler auf höchstem Niveau entwickelt und gefördert werden können.

Wo muss der Ansatz liegen, um noch mehr Kinder für den Basketball zu gewinnen? Muss man bei den Wurzeln anfangen, also im Mini-Bereich oder wo sollte man künftig noch mehr ansetzen?
Tammivaara: Ja natürlich, dort muss die Sichtung beginnen. Aber auch zum Beispiel durch die Schul-Projekte die wir als MBC in den letzten Jahren begonnen haben, kann man viele Kinder neu für Basketball begeistern. Ich denke, dass jeder Verein versuchen sollte, mehr an die Schulen zu gehen um sich direkt zu präsentieren und den Basketball noch populärer zu machen, denn der Talente-Pool ist in den Schulen, wenn nicht sogar in den Kindergärten, denn andere Sportarten fangen bereits in dem ganz jungen Alter mit der „Verpflichtung“ von Kindern an.

Und das ist der einzige Weg für den deutschen Basketball, um auch nach Dirk Nowitzki im internationalen Vergleich bestehen zu können?
Tammivaara: Natürlich, ich sehe ein kleines Loch was nach Dirk Nowitzki kommen wird. Denn es geht ja nicht nur um Dirk, seine ganze Generation war insgesamt sehr talentiert und wichtig für die Nationalmannschaft. Es sieht momentan danach aus, dass vorerst keine neue „goldene“ Generation nach Dirk kommt. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass in den Generationen danach nicht so intensiv gearbeitet wurde und deshalb müssen wir jetzt beginnen für die nächsten fünf bis zehn Jahre zu arbeiten.

Eine Frage zum Abschluss, wenn Sie nach Finnland zurückgehen, was sind Ihre nächsten Aufgaben und Ziele?
Tammivaara: Ich werde wieder für die finnische Basketballföderation als Teilzeit-Nationaltrainer arbeiten. Ich betreue dann unser finnisches U15-Nationalteam, wo wir alle unsere 13 und 14 Jahre alten Talente gesammelt haben. Außerdem betreue ich die U16-Auswahl bei den Europameisterschaften und ich bin damit beauftrag, ein neues Coaching-Programm für die Nachwuchsteams aufzubauen. Wir sind nur ein kleines Land mit fünf Millionen Einwohnern und wir können es uns nicht erlauben, ein einziges Talent zu verlieren. Aus diesem Grund intensiviert mein Basketballverband die Arbeit mit den jungen Spielern. Wir sagen immer, dass die besten Coaches bei den jungen Spielern sein müssen, doch leider ist das nur ganz selten der Fall. Aus diesem Grund bin ich auch ziemlich stolz, dass mein Verband mich als professionellen Trainer für diesen Bereich verpflichtet hat, ich habe eine zwanzigjährige Trainererfahrung und ich glaube das ist ein richtiger und wichtiger Schritt.

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