Björn Harmsen – erfolgshungriger Leitwolf, ehrgeiziger Perfektionist und bekennender Kaffeeliebhaber

Seit letzter Saison steht er an der Seitenlinie der Wölfe: Head Coach Björn Harmsen. Der 27-Jährige führte den MBC in seinem ersten Jahr in Weißenfels in die Beko BBL und ist seitdem nicht mehr wegzudenken aus dem Wolfsbau. Grund genug, Björn Harmsen etwas näher vorzustellen. MBC-Praktikantin Anja Hädrich unterhielt sich mit dem gebürtigen Göttingener über seine ersten Schritte im Basketball, Jenaer Zeiten und den MBC.

„In Göttingen hat jeder Basketball gespielt“, beginnt Björn Harmsen, „meine Freunde waren immer beim Training und da ich nicht allein sein wollte, bin ich einfach mitgegangen.“ Damals war er elf Jahre alt. „Der Vater von Jorge Schmidt war mein Englisch- und Sportlehrer und hatte damals einen Trainerposten in Göttingen inne. Deswegen spielten wir auch im Sportunterricht immer Basketball“, blickt der heutige Head Coach des MBC zurück. Seine Begeisterung für den Basketball war entfacht.
Zweieinhalb Jahre spielte er in Göttingen, ehe die Familie ins thüringische Bad Berka umzog und er sich dem TuS Jena anschloss. Seitdem trainierte der Teenager dreimal wöchentlich. „Da habe ich meine Eltern etwa zweieinhalb Jahre genervt, bis sie mich aufs Sportgymnasium in Jena ließen. Zwar hatte ich mehr Wille als Talent, doch ich wollte Basketballprofi werden“, erzählt Björn Harmsen. Fortan trainierte der gebürtige Göttinger täglich zwei bis drei Mal: vormittags am Sportgymnasium und abends beim TuS Jena. Nach drei Jahren Leistungssport und professioneller Basketballausbildung, legte er 2001 das Abitur ab, erkannte jedoch auch, dass seine Leistungsgrenze als Spieler erreicht war. „Trotzdem habe ich den Wechsel auf das Sportgymnasium nicht bereut. So war ich unabhängig, selbstständig und konnte mich mit meinem Hobby beschäftigen, auch wenn meine Eltern anfangs nicht begeistert waren“, erinnert er sich.
Nach dem Abitur absolvierte der heutige Headcoach der Wölfe seinen Zivildienst an der Universitätsklinik in Jena, trainierte nebenbei den Basketballnachwuchs und erwarb die C-Lizenz. Er erzählt: „Eigentlich wollte ich nach dem Zivildienst studieren und mich nur nebenbei irgendwie mit Basketball beschäftigen.“ Doch es sollte anders kommen: 2001 bewarb sich der damals 19-Jährige für ein Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre in Bamberg. „Ich bekam nicht gleich eine Zusage und wurde erst mal auf die Warteliste gesetzt. Trotzdem ging ich nach Bamberg“, erzählt der Niedersachse. Dort wohnte er in einer reinen Basketball-WG zusammen mit Jan Stephan, den er schon seit der Jenaer Zeit kannte und der damals bei TSK universa Bamberg spielte. Björn Harmsen knüpfte so Kontakte zu Spielern und Trainern des Bamberger Basketballs und sagt: „Irgendwann suchten die da mal eine Aushilfe fürs Training der Jugend und kamen auf mich zu.“ Anfangs waren es drei bis vier Einheiten pro Woche, später sogar zwei Einheiten täglich. Zudem organisierte er neben seiner Trainertätigkeit Basketball-AGs und das Stützpunkttraining.
Nach vier Wochen flatterte dann auch die Zusage für das Studium ins Haus. „Ich entschied mich aber für den Basketball und die Trainerlaufbahn, weil es mir Spaß machte, ich eigenes Geld verdiente und unabhängig war“, erklärt Björn Harmsen seine Entscheidung gegen die Universität und ergänzt: „Es war nicht viel, was ich damals verdient habe. Deswegen hatte ich auch keine Möglichkeiten, irgendetwas zu unternehmen. Aber so habe ich mich eben auf den Basketball konzentriert, war bei jeder Trainingseinheit der Bamberger dabei und analysierte Videos.“ Dabei konnte er dem heutigen Bundestrainer Dirk Bauermann und dessen damaligen Assistent Wolfgang Heyder jeden Tag beim Training über die Schulter gucken und viel lernen.
Nach nur einem Jahr in Bamberg, zog es den mittlerweile 21-Jährigen aber wieder nach Thüringen. Grund dafür waren Umstrukturierungen bei den POM baskets Jena. „Frank Menz wurde neuer Head Coach und ich sein Assistant- und Jugendcoach“, blickt der Leitwolf zurück, „da habe ich viele Dinge vom Profibereich mitbekommen, von dem ich bis dahin wenig Ahnung hatte.“ In der Saison 2006/2007 wurde Björn Harmsen schließlich Head Coach der Jenaer. In Anbetracht dessen sagt er: „Das kam sehr früh, ich war erst 23 Jahre alt. Ich wusste aber auch, dass es so eine Chance nur einmal gibt. Entweder ich nutze sie, oder ich bin feige. Es war eine große Herausforderung, aber ich bin froh, dass ich es mir zugetraut habe.“
Was vorher niemand für möglich gehalten hatte, versetzte viele ins Staunen: Der Trainerneuling schaffte prompt mit seinem Team den Aufstieg in die BBL, wurde zudem Trainer des Jahres 2007. Jedoch musste Harmsen in der darauf folgenden Saison schon zeitig seinen Hut nehmen und erzählt: „Die Saison lief noch eine Weile. Dadurch hatte ich viel Zeit, mir auch Spiele ausländischer Ligen anzuschauen, so zum Beispiel in Litauen und Spanien und konnte wertvolle Kontakte knüpfen. Unter anderem mit dem Head Coach von Unicaja Málaga, Sergio Scariolo, dem jetzigen Nationaltrainer von Spanien.“
Seit der Saison 2008/2009 steht er nun an der Seitenlinie der Wölfe. Mit 26 Jahren ist er in der letzten Saison bereits das zweite Mal in seiner noch jungen Trainerkarriere in die BBL aufgestiegen, wurde zudem erneut als Trainer des Jahres 2008 ausgezeichnet. Doch wie waren damals seine ersten Eindrücke vom MBC, den Fans und der Stadt? „Der Standort hier hat Tradition, ein professionelles Umfeld und ebenso professionelle Strukturen. Ich habe mir hier schon früher Bundesligaspiele des MBC angeschaut und wusste daher von der Stimmung und den Fans. Die Voraussetzungen für eine Rückkehr in die BBL waren einfach gegeben, deswegen gab es für mich auch kein Nachdenken“, blickt der Niedersachse zurück und ergänzt begeistert: „Hier wird Basketball einfach gelebt und ist die Sportart Nummer Eins, die Halle ist voll, die Stimmung und Atmosphäre während der Spiele sind unbeschreiblich. Des Weiteren ist hier alles sehr familiär, ich kenne viele Fans persönlich.“
Einen perfekten Profi beschreibt der 27-Jährige wie folgt: „Er liebt seine Tätigkeit, ist zielstrebig, will sich stets verbessern und jedes Spiel gewinnen. Für ihn steht der Mannschaftserfolg im Vordergrund und er verzichtet auf seine eigenen Statistiken.“ Nur in der Sommerpause nach der Saison kann der gebürtige Göttinger im Urlaub mal für ein paar Wochen abschalten vom Basketball, während der Saison hat er vielleicht gerade mal Zeit, ein Buch zu lesen, mehr aber auch nicht.
Nach dem Aufstieg letzte Saison hospitierte der MBC-Head Coach im Trainingslager bei der spanischen Nationalmannschaft, dem amtierenden Weltmeister. Dazu verhalfen ihm seine Kontakte, welche er in der Zeit knüpfte, nachdem er in Jena entlassen wurde. „Mehr kann man nirgendwo lernen, selbst bei einem Trainerlehrgang nicht. Ich konnte mir die beste Mannschaft und den besten Trainer der Welt anschauen. Beeindruckt hat mich die Professionalität und das Verhalten bzw. die Disziplin der Spieler, wie hart sie an sich arbeiten. Die spielen schließlich aus bestimmten Gründen da, wo andere hin wollen. Aber auch aus der Trainersicht habe ich mir neue Impulse geholt“, spricht er mit Begeisterung über diese Erfahrungen. Für ihn sei nicht nur das Talent eines Spielers ausschlaggebend, sondern in erster Linie auch der Charakter.
Was viele nicht wissen: Björn Harmsen hat darüber schon ein Buch geschrieben: „Basketball emotional – Mit mentaler Stärke zum Erfolg“. Bemerkenswert daran, Harmsen war gerade erst 20 Jahre jung war, als dieses 2002 veröffentlicht wurde. Aber wie kommt man darauf, in dem Alter ein Buch zu schreiben? Björn Harmsen dazu: „Mich hat damals ein Sportpsychologe aus Köln angesprochen, der bereits Ratgeber über andere Sportarten geschrieben hat und immer die Trainer mit eingebunden hat. Nur über Basketball gab es noch nichts Derartiges. Deswegen kam er auf mich zu, weil ich mich auch schon als Jugendtrainer viel mit mentalem Training beschäftigt habe“, antwortet er.
Noch heute pflegt der Erfolgscoach Kontakte zu ehemaligen Weggefährten aus Jenaer Zeiten wie Jan Stephan (Telemotive München), Marcel Schröder (Head Coach Würzburg Baskets), Tino Stumpf (Geschäftsführer und Coach Science City Jena) und Lars Masell (Assistant Coach Würzburg Baskets). Auch mit seiner Geburtsstadt Göttingen verbindet ihn noch einiges. Nicht nur wegen Spielern, Trainern und Offiziellen des BG Göttingen, sondern vor allem wegen seiner Familienangehörigen, die noch in der traditionsreichen Universitätsstadt leben und sicherlich das Spiel der Wölfe am Samstagnachmittag in der Göttinger Lokhalle besuchen werden.

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