„Alle sind Teil der Basketballfamilie“

Es wird eine der kürzesten Auswärtsfahrten der Saison. Und dennoch dauert der Ausflug an die neun Stunden, wenn der Mitteldeutsche Basketball Club in Bayreuth sein Auswärtsspiel in der easyCredit Basketball Bundesliga austrägt. Neben der Mannschaft, Trainer, Co-Trainer und Team-Manager klettern auch die Teambetreuer Reinhard Jung und Karsten Kutschbach sowie Physiotherapeut Martin Jaschinski in den Bus und natürlich Busfahrer Thomas Sprafke. „Sie sind Teil der Basketballfamilie, ohne sie wäre unser Einsatz undenkbar“, sagt Spieler David Brembly, der wie seine Teamkollegen die vier nicht als Dienstleister ansieht, sondern eben als Teil der Mannschaft.

Thomas Sprafke hat den MBC-Bus schon zu weit mehr als 100 Auswärtsfahrten gelenkt. Foto: Birger Zentner

Am längsten dabei ist Thomas Sprafke, der eigentlich Angestellter der Personenverkehrsgesellschaft (PVG) Burgenlandkreis ist. Aber seit zehn Jahren ist es hauptsächlich er, der den PVG-Bus mit Aufschrift und Logo des MBC zu den Auswärtspartien der Wölfe quer durch Deutschland steuert. „Ich weiß nicht, wie viele Fahrten ich schon für den MBC gemacht habe, aber auf jeden Fall mehr als 100“, sagt Sprafke, der in zwei Jahren seinen Job als Berufskraftfahrer an den Nagel hängen wird, weil er dann das Rentenalter erreicht. Aber bis dahin will er zur Stange halten und die Wölfe nach Bremerhaven, nach München, Berlin oder Ludwigsburg kutschieren. Er fühlt sich mit dem Weißenfelser Basketball eng verbunden, kennt die Gefühlswelten der Spieler nach Siegen und nach Niederlagen. Meist erlebt er bei den Auswärtsspielen die zweite Halbzeit mit in der Halle. „Vorher mache ich Ruhepause, meist auch ein Schläfchen.“ Wie das jeweils konkret abläuft, hängt von der Dauer der Auswärtsfahrt ab. Seine vorgeschriebenen Ruhepausen nimmt er sehr ernst, nicht nur aus Respekt vor dem Gesetz. „Ich will schließlich die Sportler gesund hin- und wieder zurückbringen“, sagt er.

Nach knapp zwei Stunden hat er den Bus an der Bayreuther Oberfrankenhalle gestoppt. Es sind noch fast zwei Stunden Zeit bis zum Spielbeginn. Die Mannschaft ist in den Katakomben der Halle verschwunden. Nachdem die Teambetreuer und der Physiotherapeut alles vom Bus in die Halle gebracht haben, von der Spielbekleidung über die Getränke bis hin zur medizinischen Ausrüstung, rangiert Sprafke das riesige dreiachsige Gefährt in die vorgesehene Parkposition und geht in den Ruhemodus über. Für die anderen drei Begleiter ist es jetzt nichts mit Ruhe. Martin Jaschinski wird in Kürze das Aufwärmprogramm der Spieler leiten. Reinhard Jung und Karsten Kutschbach stellen an der Mannschaftsbank die Getränke bereit, legen jedem Spieler sein Handtuch zurecht, werfen währen des individuellen Aufwärmens auch mal die Bälle zu. Aber sie haben so eine Stunde vor Spielbeginn auch ein wenig Zeit, sich in der Halle umzusehen, hier und da ein Schwätzchen zu machen, zum Beispiel mit den nach und nach eintreffenden Fans der Wölfe. Man kennt sich eben.

Karsten Kutschbach und Reinhard Jung betreuen die Mannschaft. Foto: Birger Zentner

So lange es die Wölfe gibt, so lange ist auch Jung im Hintergrund dabei. Viele Jahre gehörte er zum Aufbauteam, das hat er jedoch in der vorigen Saison verlassen. „Aber dann bekam ich vom Geschäftsführer Martin Geissler den Anruf, ob ich nicht stattdessen als Mannschaftsbetreuer weiter dabei sein will.“ Und Jung wollte. Der ehemalige Berufskraftfahrer, der mittlerweile Rentner ist, kümmert sich nun darum, dass die verschwitzte Spielbekleidung der Wölfe in die Wäscherei kommt und sauber wieder fürs nächste Spiel bereitgelegt werden kann. Wie sein Kollege Karsten Kutschbach ist er auch oft beim Training dabei, um die Spieler zu betreuen. Während des Spiels geht es darum, Getränke zuzureichen, das richtig Handtuch in die richtige Hand zu drücken. „Das es jemanden gibt, der da den Überblick hat, ist schon wichtig für uns“, sagt David Brembly. Und weil es beim Basketball viele Wechsel gibt und auch die Auszeiten, haben die Betreuer immer was zu tun.

„Vom eigentlichen Spiel, also von den Spielzügen, bekommen wir oft nicht so viel mit“, sagt Kutschbach. Vom Spielstand schon, und der wird dann auch mit bejubelt, wenn die Spieler auf der Bank aufspringen und die Korbwürfe feiern. Und sie leiden auch mit, wenn misslungene Aktionen, mit Entsetzensmiene begleitet werden. Kutschbach ist seit sieben Jahren einer der Mannschaftsbetreuer. Einige Jahre lang war er der Betreuerkollege von Klaus Thiel, der beim MBC mittlerweile Legendenstatus genießt. Ein Trikot mit seinem Namen hängt bei den Heimspielen neben denen der ehemaligen Spieler Tomas Grepl und Sascha Leutloff unterm Hallendach. Vor drei Jahren gab Thiel, damals 75-jährig, den Betreuerjob nach 20 Jahren in der MBC-Familie auf. „Seit dem bin ich es auch, der den MBC regelmäßig auswärts begleitet“, erzählt der 33 Jahre alte Kutschbach. Denn dass beide Betreuer wie nach Bayreuth gleichzeitig mitfahren, ist eher die Ausnahme.

Mittlerweile hat das Spiel begonnen. Die Wölfe halten mit den favorisierten Bayreuthern mit. Die Teambetreuer machen ihren Job. Zur Habzeitpause liegen die Gäste allerdings mit elf Punkten im Rückstand. Busfahrer Sprafke hat seine Ruhezeit beendet. Am Eingang zur Halle erfährt er das Zwischenresultat. „Das holen wir auf, das drehen wir noch“, sagt er im Brustton der Überzeugung. Da schwingt ein Teil Hoffnung in der Stimme mit, weil er lieber ein Siegerteam nach Hause fährt, aber auch ein Teil Kenntnis um die Besonderheit des Basketballs, dass elf Punkte wahrlich kein unüberbrückbarer Rückstand sind. Und Sprafke sollte beinahe Recht behalten. Am Ende sind es drei Pünktchen, die die Bayreuther über die Ziellinie retten. Nach der starken kämpferischen Leistung ist die Stimmung im Bus dann trotz der Niederlage so schlecht nicht, als alle kurz nach 23 Uhr wieder ihren Sitzplatz gefunden haben.

Zwei Stunden später nach ruhiger Fahrt über die Autobahn 9 stoppt der Bus an der Weißenfelser Stadthalle. Zeitgleich mit dem Fanbus, der für Bayreuth gechartert worden war und nun auf dem Parkplatz hält, wo die Spieler ihre Autos stehen habe. Da gibt es zwischen Fans und Team noch ein paar aufmunternde Worte, Schulterklopfen oder auch ein Selfie. Jung, Kutschbach und Jaschinski holen derweil alles aus dem Bus, was mitgeschleppt worden war. Sprafke beginnt, im Bus aufzuräumen und wird ihn noch ins Depot fahren, ehe sein Arbeitstag endet. Der Bus wird bei der PVG wieder gebraucht für Ausfahrten von Schulklassen oder Senioren. Kommt das Gefährt mit der MBC-„Bemalung“, gibt es regelmäßig ein besonderes Hallo unter den Fahrtteilnehmern. „Und falls ich der Fahrer bin, muss ich oft zeigen, welcher Spieler bei den Auswärtsfahrten auf welchem Platz sitzt.“ Angesichts der vielen Jahre eine Kleinigkeit für Sprafke.